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STACHEL DER ARBEIT

Der Ort der Arbeit im prekären Alltag
Utz Pannike inszeniert mit „Stachel der Arbeit“ ein packendes Wutbürger-Requiem

Es ist eine „Empört-Euch-Revue“, die als „Stachel der Arbeit“ verpackt am Donnerstagabend im Dresdner Projekttheater Uraufführung feierte. Utz Pannike, allen OFF-Freunden noch als lustig-hintersinniger Hausmeister aus dem großen Kraftwerksspektakel Anfang September bekannt, ist nun ein smarter Showmaster mit modischem IngenieurKinnbart. Als dieser eröffnet er auf dem Hinterhof per Prolog pünktlich zum Frühjahrsbeginn die sächsische Freilufttheatersaison – mit einem Gebet aufdie authentische Wahrhaftigkeit. Dabei steht er auf einer Leiter und wird von Claudia Reh und ihren drei lichtverstärkten Overhead-Projektoren umleuchtet, die Business-Weib- wie Männlein auf die Hauswand beamt, die vor allem mit Isolation und Vereinsamung kämpfen.

Dann geht es hinten herum hinein in den Saal – dort wartet neben Reh und ihren Geräten auch Musiker Jörg Schittkowski. Und es passiert völlig unerwartetes: Pannike wird zum Sänger und bietet in den sieben üblichen Teilen ein Requiem auf den Tod der körperlichen wie verkörperlichten Arbeit. In einer Mischung aus Falco und Paul Potts, auch mal in Blues verfallend, aber nie als reine Persiflage und mit geharnischten, wohlüberlegten Texten, prangert er in Windeseile mindestens ein Drittel der hundert schlimmsten Verwerfungen des aktuellen Turbokapitalimus an. Vor allem den Verlust von sozialen Errungenschaften, einst von Arbeitern hart erkämpft und nun mit diesen wieder artgerecht verschwunden. Kaum hat er das edle, das echte Wackeln beerdigt, das man in Zeiten vorunserer Dienstleistungsgesellschaft auch Wertschöpfung nannte, die man heute zu deren Entwicklung besser einstigen Entwicklungsländern überlässt, verfällt Pannike in den ersten von vier Träumen: Als Morpheus stülpt er sich eine Gangstermaske über und träumt – wie alle Chancenlosen – von viel Geld ohne Arbeit. Hierzu wird ein zweiter durchsichtiger Vorhang vor ihn gezogen und Claudia Reh arbeitet mit klaren geometrischen Formen. Dann wird er zum Moderator und lässt den Saal mitspielen: Er vermitteltdie wichtigsten psychologischen Tricks und Kniffe für erfolgreiche Bewerbungen. Assessmentcenter heißt das Glücksspiel. Die folgende Ode an die Neue Soziale Marktwirtschaft (NSM) widmet er Angela Merkels ehrlichem Ansatz von der marktkonformen Demokratie. Selten war so viel Wutbürgerlichkeit so elegant und gleichzeitig kompakt wie prägnant verpackt.

Eigentlich wollte Utz Pannike, der Gründer und Chef des Panischen Not-Theaters, mit drei Schauspielern arbeiten und selbst nur Regie führen. Für die Stückentwicklung bekam er ein dreimonatiges Stipendium der sächsischen Kulturstiftung und verbrachte das vorjährige Frühjahr mit Recherche und Textgenese. Doch die Finanzierung der Produktion klappte trotz Stiftungsgeldern nicht ganz so wie gewünscht, sodass er selbst in die Bütt, also auf die Bühne springt. Zur Reflektion und für einen dramaturgischen Zuschnitt holte er sich dafür die bekannte Dresdner Dramaturgin Esther Rölz (u.a. „Rattenklatschen“) dazu.Mit Live-Painterin Claudia Reh, die gleichzeitig je drei Polyluxe bedient und damit eine neue, aber faszinierende und jedes mal exklusive Form des Bühnenbildens erfindet, und Jörg Schittkowskian allen möglichen elektronischen Instrumenten entsteht eine dichte, sehr unterhaltsame Performance, die auch mal Richtung Kabarett oder Comedy schwappt, sich aber nie in Klamauk oder Gaudi verliert. Selbst wenn Pannike nicht punkten könnte, wäre mit der Beobachtungsoption auf seine beiden Mitstreiter genug geboten. Aber das passiert nicht. Eher wird, so die Hoffnung des unpanisch-gelassenen Trios, die ganze Show auch vor theaterfernen Jugendlichen im „Sektor Evolution“ auf der Straße E funktionieren, wo nächsten Freitag die zweite Premiere sein wird. Auch weitere Exkurse, so gen „Geh 8“oder in die Lausitz sind geplant.

Das Projekttheater ließe sich sicher überreden, für die weiteren Aufführungen die erste Reihe für politische Entscheider ab Referatsleiter aufwärts freizuhalten, um eine erfrischende Sicht aufden Abgesang des westlichen Wirtschaftssystem in absolut kurzweilig-professioneller Darbietung zu erleben. Doch sie werden nicht kommen und dann – wie gewohnt – von nichts gewusst haben wollen. Wer hingegen Stéphane Hessel mag, wird diesen „Stachel“ lieben.

Andreas Herrmann

 

 

Nathan zu dritt

Stückbeschreibung …

Reiner Zimmermann, Musik in Dresden 01.06.2009:

“Ringparabel mit Musik – »Nathan« zu dritt im Projekttheater

Es klingt ganz einsichtig, wenn der Nathan-Darsteller sich die Gitarre umhängt und dem Sultan Saladin und seiner Schwester Sittha swingend die zentrale Botschaft des Stückes, die Ringparabel vermittelt, worauf beide Partner schließlich mit Zupfbass und Schlagzeug einstimmen… Diese etwas ungewöhnliche Lesart kann man im Projekttheater hören und besehen: Das Panische NotTheater spielt Lessings Dramatisches Gedicht in einer Fassung für drei Schauspieler Utz Pannike, Christina Kraft und Thomas Kressmann in 1 Stunde und 20 Minuten. Mit kleinen Verwandlungen werden alle neun Rollen besetzt. Wichtige inhaltliche Akzente werden gesetzt: Daja z. B. wird abwechselnd von allen drei Schauspielern gegeben. Vorher fragt man sich: geht das überhaupt? Und hinterher reibt man sich die Augen (und eigentlich auch die Ohren), was da an konzentriertem Spiel, an ebenso konzentriertem Text alles herüberkommt. Ich glaubte meinen Lessing zu kennen, aber in dieser Fassung nahm ich deutlicher als sonst die scharfe Dialektik, die wohl gesetzten Worte, Halbsätze und Sätze Lessings wahr. Lag es an der größeren Nähe der Schauspieler in dem kleinem Raum, lag es an der großen Präzision und Lebendigkeit des Spiels, an der Wandlungsfähigkeit der Schauspieler-trotz der Kürzungen fehlt nichts, das dem Drama die Spannung nahm. Regisseur Carsten Ludwig, ausgewiesen durch Inszenierungen, die aus dem gewöhnlichen Rahmen fallen, die ungewöhnliche Beziehungen zwischen scheinbar unvereinbaren Zuständen herstellen, hatte mit dieser Fassung auch eine „aufklärerische“ Absicht verwirklicht: Sein Nathan grummelt nicht Sentenzen von Toleranz und Weisheit in seinen Bart, sondern ist ein Suchender, Getriebener, der sich in einer schwierigen Umwelt und in ausufernden Situationen behaupten muss. Immer wieder auch gibt es Ruhepunkte in temperamentvollen Spiel, die nicht mit beliebigen Geräuschen, sondern mit Live-Musik durch die Darsteller ausgefüllt werden. Da gibt es Lieder, kurze Gitarrensoli oder Instrumentalstücke zu dritt, alles im leichten Swing. Auch der Stil dieser Musikeinlagen dient dazu, dem Dramatischen Gedicht eine 200 Jahre alte Schwere zu nehmen-ein gelungener Theaterabend. Nach der Sommerpause wird es weitere Aufführungen im Projekttheater geben.”

Macbeth

Stückbeschreibung …

Bistra Klunker, Dresdner Neuste Nachrichten o8.12.2007:

“Keine Garantie für Prophezeiungen, Panisches NOt-Theater zeigt im projekttheater Shakespeares Macbeth als Hexentanz

Mit dem falschen Bein aufgestanden trottet man in den grauen Alltag hinein, fühlt sich unmotiviert und kraftlos. Lies das Horoskop, sagt eine innere Stimme. Und da steht : „Sie fühlen sich heute etwas unmotiviert und kraftlos, mit dem falschen Bein aufgestanden.“ Wow, woher wissen sie das? “ Klären sie ein Missverständnis zügig auf.“ Wo finde ich jetzt so schnell ein Missverständnis? Noch beeindruckender sind die Jahreshoroskope. Da weiß man schon im Voraus, zu welcher Jahreszeit das Einschleimen beim Chef lohnt und wann die große Liebe an die Tür klopft. Wanga, eine sagenumwobene südeuropäische Wahrsagerin soll ihren Kunden mit Vorliebe ihr Todesdatum prophezeit haben. Muss ein komisches Gefühl sein, mit dem eigenen Todesschein in der Seele weiterzuleben — manches dürfte einem sinnlos erscheinen. Wie Shakespeares Macbeth, der am Ende erkennt: „Leben ist nur ein wandelndes Schattenbild, / Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht / Sein Stündchen auf der Bühn und dann nicht mehr / Vernommen wird.“ Und wer ist Schuld am ganzen Macbeth-Schlamassel? Sein Hexen-Horoskop. Zuerst sagen die drei Weiber, er würde zum Than von Cawdor geadelt und König von Schottland werden. Prompt kommt ein Bote und verkündet, Macbeth sei zum Than von Cawdor ernannt worden, weil der bisherige Träger des Titels es sich mit dem König verscherzt hat. Also mal so unter Horoskopgläubigen: bekommt man da nicht ein bisschen Lust, auch König zu werden? Man braucht nur die eine Kleinigkeit von aktuellem König zu beseitigen, die geschäftstüchtige Gattin ist auch dafür. Und am Ende kommen die Hexen wieder und prophezeien dem von Opfer-Halluzinationen gebeutelten Macbeth, dass er nichts zu befürchten habe, bis der Wald von Birnam auf sein Schloss hinziehe. Zudem könne kein Mann ihn töten, der von einer Frau geboren worden sei. Na also! Aber auch hier gilt die Regel: Lies bei Horoskopen auch zwischen den Zeilen! Denn Herausforderer Macduff kam dummerweise durch Kaiserschnitt auf die Welt und die englischen Soldaten tarnen sich mit Zweigen und bewegen sich so als Wald auf Macbeths Schloss zu. Gemein ist das! Aber „fair is foul and foul is fair“, das Schöne ist hässlich, das Hässliche schön — sagen die Hexen und meinen: Nichts ist so wie es scheint, wir übernehmen keine Garantie. Den Text großügig gekürzt, die handelnden Personen (bei Shakespeare mehr als zwei Dutzend) reduziert und den Rest auf drei Mitwirkende verteilt — das ist nur ein Teil der Maßnamen, die vom Panischen NOt- Theater um Utz Pannike ergriffen wurden, um dem düsteren Macbeth-Werk eine gewisse Leichtigkeit zu verleien. Die Inszenierung in der Regie von Viktor Tremmel feierte nun im projekttheater Premiere. Die Bühne von Odette Lacasa ist quasi die nackte Bühne vom projekttheater, beseelt durch ein gutes Lichtkonzept und ergänzt durch die ein paar Requisiten, die alle Platz in den Hexentaschen finden. Und manchmal ist es eben gut, wenn das Geld nicht mal für Kostüme reicht, so dass man sich über den schwarzen Rollkragenpullover bloß einen Sack mit einem Loch für den Kopf drüberstülpt. So können Julia Amme, Thomas Kressmann und Utz Pannike mit einer Handbewegung als Hexe aus der Szene hinaus oder in die Szene hineinschleichen, wo sie Sekunden vorher mit rotem Tuch oder Krone, rotem Gürtel oder Kopfverband Macbeth, Lady Macbeth oder Macbeth Vertrauter Banquo gewesen sind. Es ist alternatives Theater im schönen Sinne des Wortes, das hier geboten wird. Und es ist ein Spiel — jeder darf mal Macbeth sein. Utz Pannike übernimmt auch mal kurz den Part von Lady Macbeth. Ein paar Augenzwinkereien sind schon dabei, doch der Grundton ist ernst — das wirkt dicht und unterhaltsam. Die Figuren sind nicht dramatisch, sondern eitel und dadurch manchmal komisch. Und wenn Thomas Kressmann als Macbeth doof ins Publikum guckt, wenn er erfährt, dass er zum Than ernannt wurde — sieht er bloß aus wie ein armer Superstar-Kandidat, der erfährt, dass er eine Runde weiterkommt. Klasse ist auch Julia Amme — mal zahm, mal eine Furie mit kräftiger Stimme. Wer also am Wochenende in seinem Horoskop irgendwas findet, sollte nicht zögern und ins projekttheater gehen. Dort gibt es die passende Erhellung zur Adventszeit. Apropos Erhellung: Ist Fotografieren während der Vorstellung eigentlich erlaubt? Zur Premiere jedenfalls blitze es immer wieder — was die Atmosphäre der diesigen Hexenküche schon störte.”

Grimm & Grimm

Stückbeschreibung …

Christian Ruf, Dresdner Neuste Nachrichten 06.05.2006:

“Märchenhaftes Chaos

Es waren einmal zwei Männer. Die hatten sich sehr lieb, waren aber Brüder und teilten zwar das Zimmer, aber nicht das Lager. Eines Nachts, als sie mal wieder in ihren Betten liegend gelesen hatten, konnte der eine nicht einschlafen und animierte seinen Bruder zum Spiel. Später irgendwann müssen sie ihre Einfälle geordnet und gesammelt haben. Entstanden so die 1812 erstmals als Buch erschienenen „Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm“? In der neuen Inszenierung „Grimm & Grimm “ des Panischen NoTheaters liegen zu Beginn jedenfalls zwei Männer im Bett und lesen. Es sind die beiden „Märchenonkel“ Jörg Isermeyer und Utz Pannike. Es könnten natürlich auch zwei Kinder sein, die munter drauf los spielen. Nicht ganz zwei Stunden später ist das Zimmer verwüstet, herrscht eine Unordnung, die man aus Kinderzimmern kennt. Doch hier ist das Chaos, anders als bei diversen Schreibtischtätern, gelegentlich tatsächlich mal der Kreativität geschuldet. Märchenkenntnisse sind im projekttheater von Vorteil, aber nicht notwendige Voraussetzung, um diesen dunklen Kinderfantasien etwas abgewinnen zu können. Zwar werden die Grimmschen Vorlagen zertrümert wie häufig die Klassiker in einigen Schauspielhäusern, aber diese Form von Regietheater ist weder öde noch nervend. Isermeyer und Pannike spielen sich quer durch die Dialekte, schlüpfen in die ulkigsten Kostüme, haben keine Scheu, auch den bizarrsten Einfällen nachzugeben, eine Fliegenklatsche zum Reichsapfel mutieren zu lassen. Jacob und Wilhelm Grimm wollten nicht nur der Geschichte der Poesie und Mythologie einen Dienst erweisen, sondern bewirken, dass die Poesie, die in ihren Märchen immer noch lebendig ist, „erfreue, wen sie erfreuen kann“. Isermeyer und Pannike setzen mehr auf Spaß als auf Poesie – erfreuen tut ihre Lesart der Märchen aber auch. Wir sind Papst, die beiden sind in ihrer kindlichen Spiellust zudem König (auch wenn sie dann feststellen müssen, dass es nur einen geben kann), sind Müllerstochter und Prinz, Hänsel und Gretel, die von ihrer unheimlichen Begegnung im Wald mit der sie befingernden Hexe in einem Metal-Rap gröhlen. Frank und frei wird zudem assoziiert und persifliert. Ein König erinnert wägen seines harrrten doitschen Tonfalls an einen ainstigen Föhrer ont Rrreichskanzler, ein verwachsener Zwerg, der wahrgenommen und geliebt werden will, aber nicht wird und schon mal in Shylock-Manier klagt: „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?“ Ein Akteur ist auch mal nicht Fisch, sondern Fleisch mit Flosse drauf, ein verwunschener Prinz, der aber vom Fischer bestialisch mit der Säge bearbeitet wird, dass das Blut, naja, das Ketchup spritzt. Grund für das Kettensägenmassaker? Der Fänger will seine Ruhe haben, sine fru die Isebill würde in ihrer Gier seinen Frieden nur stören. Das Angeln wird als das erkannt, was es ist: tätiges Nichtstun. Etwas müsste man tun. Märchen lesen. Und diese Inszenierung besuchen. Denn wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie „Grimm & Grimm“ noch einige Zeit weiter.”

Büchners Kopf

Bistra Klunker, Dresdner Neuste Nachrichten 25.10.2005:

”Wo ist die Moral, wo meine Schattenmorelle?

Eine Kreatur kriecht im projekttheater zwischen die Zuschauerreihen die Treppe hinunter zur Bühne und kauderwelscht dabei auf Basis der russischen Sprache. Im Scheinwerferlicht präsentiert sich die Gestalt mit Wollmütze Marke „armer Bankräuber“ auf dem Kopf und mit weiter Latzhose, die aussieht wie aus einer Plastikplane genäht. „Unverkennbar“ Büchner, der da vor uns steht: hilflos, suchend, wund analysiert und nur noch nach Bedarf wichtig. Noch besser: Es ist Georg, der Clown, der billige Tricks mit zwei Tennisbällen oder zwei Taschentüchern auf Lager hat, aber auch Revolutionäre, Müßiggänger oder Zukurzgekommene an der Leine hinter sich herzieht, zur allgemeinen Belustigung. Und es ist nicht zuletzt der Schauspieler Utz Pannike, der mit der wegen Krankheit um eine Woche verschobenen Premiere unter der Regie von Steffen Pietsch „Büchners Kopf“ riskiert, um auf Kosten des Dichters eine „revolutionäre Kaffeefahrt“ zu veranstalten. Die bescheidene Botschaft: Nehmt Büchner nicht allzu ernst, dann begreift ihr ihn vielleicht. „Wo ist die Moral, wo sind die Manschetten?“, fragt der permanent denkende König Peter in „Leonce und Lena“. Nach der Moral wird noch gefahndet (am Ende heult die Polizeisirene, das Haus ist „umzingelt“ und der Mann flieht), Manschetten trägt eh keiner mehr, dafür kommt die Wahrheit über die Schattenmorelle ans Licht. Danton ist es, in den sich der Maskenmann mit Hilfe von Anzug und Baskenmütze verwandelt hat, der die Verkrüppelung der um Château Morelle angebauten Sauerkirschen-Sorte zu einer schnöden deutschen „Schattenmorelle“ vberballhornt. Oder war’s Robespierre? Die zwei Revolutionäre unterscheidet nämlich nur die Aufstellung der Mütze – nach vorn gedrückt und darunter grimmig geguckt, das ist der blutrünstige Robespierre, die Mütze nach hinten geschoben mit den Manieren eines liberalen „Softies“ dazu, das ist der sanftmütigere Danton. Der Disput zwischen den beiden ist Schwerstarbeit für Utz Pannike – er springt hin und her, schiebt die Mütze vor und zurück, wechselt zwischen rauem Bass und schmeichelndem Bariton, dass es einem schwindlig wird. Und er zieht die einzig mögliche Konsequenz: Er lässt die Streithähne mit ein paar Zuckungen in die eine und in die andere Figur-Richtung verschmelzen. Aus und vorbei die Revolution. Zurück bleiben nur die Verwundeten. Lenz zum Beispiel, in weißer Unterwäsche, die in der Dunkelheit phosphoresziert, ebenso wie die weiße Mullbinde, die sich der Mann um den Kopf wickelt. Eine zweite rollt er zu einem Grenzstrich aus. Während Pannikes Stimme per Tonaufnahme Ausschnitte aus der Erzählung „Lenz“ präsentiert, geht und tänzelt Lenz halt „durchs Gebirg“, doch weit kommt er bekanntlich nicht. Dann ist es wieder vorbei mit dem Ernst, ein müder Clown übt den Müßiggang, hat keine Ideen mehr, da läuft ein Stummfilmchen, in den er hineinschlüpft, um als Leonce der offensichtlich verliebten Lena, auf einer Treppe sitzend mit einem Plüsch-Troll in der Hand, beizustehen. Film aus, genug gelacht, schon betritt der arme Woyzeck, lediglich mit einer zerschlitzten Unterhose bekleidet, das mit Kreide markierte Verhörzimmer, ist Mörder und Untersuchungsrichter zugleich, antwortet brav auf die Fragen, zittert ein bisschen, will ein bisschen Gerechtigkeit. Der Abend, den Utz Pannike aus Büchner-Material und eigenen Einfällen zusammengemixt hat, funktioniert wie eine Speise aus Zutaten, die für gewöhnlich nicht kombiniert werden, aber an sich harmonieren könnten – sie überrascht, schmeckt aber trotzdem.”

fast food classic

Stückbeschreibung …

Thomas Fekl, Dresdner Neuste Nachrichten:

“Klassische Schnellküche für Genießer

Man ehrt die Klassiker auch in dem man sich über sie lustig macht. Sehr lustig das Ganze muß man gesehen haben.”

Lilli Vostry, Sächsiche Zeitung:

“Heldenverkaspern im Schnelldurchlauf

…Im Schnelldurchlauf erzählen, musizieren und spielen sie sich höchst amüsant und unterhaltsam, dem schnellen Zeittrend entsprechend, in zwei Stunden durch 2000 Jahre abendländischer Theatergeschichte. Und die Zuschauer werden von den beiden blitzschnell Rollen und Kostüme wechselnden Erzkomödianten kräftig in all die tödlichen Macht- und Liebesdramen, Streits und Zwischenfälle auf und hinter der Bühne einbezogen. Da wird wild drauflos geflunkert, weggelassen, treffen die klassischen Dialoge gestrafft und pointiert auf die heutige Zeit. Da bleibt kaum Zeit zum Aufatmen und gegen Ende wird der Grat zum Nonsens fast überschritten. Utz Pannike betreibt mit mal vorwitzigem, mal abgebrühtem und hintersinnigem Witz das Heldenverkaspern von Ödipus, Kreon, Hamlet, Faust, Othello bis Wilhelm Tell. Die großen, hehren Worte werden zu hohlen Floskeln und Lügen gestraft durch die aus dem echten Leben gegriffenen Figuren… Dabei ist Jörg Isermeyer ein ebenso großartiger, wahnwitziger Mitspieler, ob als blinder Seher, Bote oder im Weiberrock und erzeugt nebenher die schrillsten Klänge. Reichlich Beifall gab es für den schrägen Klassikexkurs.”

Die Toten kommen wieder!

Stückbeschreibung …

Jörg Wienecke, Morgenpost 30.07.2001

„‚die toten kommen wieder‘ feierte am Samstag in der Theaterruine „St. Pauli“ eine mitreißende Premiere.

Deine Ewigkeit kotzt mich an!, schreit Jesus (Utz Pannike) Gott an. Der Messias hat nämlich die Schnauze voll von der gottgewollten irdischen Ordnung. So kommt Jesus als Thomas Müntzer, Anführer des deutschen Bauernaufstandes, auf die Erde zurück, lehrt Adel und Klerus das Fürchten, stellt die gottgewollte Ordnung infrage. Was wie ein Aufruf zur Revolution klingt, gerät bei Utz Pannike zu einer possenhaften Mischung aus beißendem Sarkasmus und genialem Slapstick-Humor. Pannike steigert sich beim Kampf gegen die sprichwörtlichen irdischen „Windmühlenflügel“ in Ekstase, schlüpft in mindestens ein Dutzend Rollen- ist berlinernder Jesus, sächselnder Revoluzzer, bayerischer Bauer oder schwuler „Ersatz-Jesus“. Bei der entscheidenden Bauernkriegs-Schlacht um Bad Frankenhausen treibt er sein Spiel mit bitterer Ironie auf die Spitze: als „Live Übertragung“ eines sportlichen Wettstreits zwischen einer Profimannschaft (Adelsheer) und Amateuren (Bauern).”

Norbert Seidel, Dresdner Neueste Nachrichten 31.07.2001:

“Grabrede oder Spielmannsstück?

Passender hätte man wohl den Ort nicht wählen können: eine ausgebrannte Kirche, deren Ruinen nun als Theaterräume dienen. Darin: die Premiere eines Stückes, dass sich Spielmannsstück nennt und gleichzeitig etwas über die erhabene Persönlichkeit des Thomas Münzer erzählen will. Kann das gut gehen? Utz Pannike, der Akteur des Ein-Mann-Stückes, setzt das fort, was er in Dario Fo’s „Die Geburt des Spielmanns“ so kompromisslos begann; denn ohne alle Zweifel ist er der geborene Spielmann. In seinem neuen Stück „Die Toten kommen wieder“, bei dem Jörg Isermeyer Regie führte, geht es nun auch wieder um den erzählenden Außenseiter, der sich, so scheint es manchmal, nicht genau festlegen mag, ob er nun der Spielmann, Jesus oder dessen Reinkarnation Thomas Münzer ist, und so übernimmt er wieder alle Rollen, spielt Gottvater, der sich Dosenbier trinkend und maulend durch die Kanäle seiner Schöpfung zappt, spielt den MDR-Reporter, der live vom Bauernkrieg berichtet und weiß auch immer wieder mit dem Publikum zu spielen. Nicht Religion als Entertainment sondern Entertainment als Religion. So schüttelt man Thomas Münzer im Vorbeigehen zwar die Hand, wer aber historische Detailtreue und ernsten Nachruf erwartet, sei gewarnt. Denn auch er ist nur ein Spielmann, wobei das „nur“ natürlich in Gänsefüßchen gehört, denn der Erzähler ist der eigentliche Schöpfer, der ständige Herr über Tod und Leben. Das Ergebnis: Eine bunte Melange aus respektloser Clownerie und, so das Programmheft sehr treffend, „hanswurstigem Nekrolog“, das verbleibende bisschen Ernst kommt durch die Hintertür. Eine vom Menschen verwurstete Schöpfung ist das, in dem sich der Zuschauer wiederfinden kann, alles, was ihm heilig ist, ist seine Couchgarnitur. Doch wehe! „Ich bin gekommen, um Unruhe zu stiften. Ihr sagt ich bin ein Spinner! Ich sage ich bin Thomas Münzer. Ihr sagt, ich bin lange tot. Ich sage euch: Die Toten kommen wieder.“ Na hoffentlich.”

Die Geburt des Spielmanns

Stückbeschreibung …

“Fo, das ist eine Mischung aus krachlustiger Frontalanmache des Publikums und politischem Theater. Nicht anders an diesem Abend. Doch was ist das? Es wird dunkel und ein Penner blökt Vokale. „Ich bin nicht immer so gewesen“, beruhigt er sein Publikum. Und er beginnt zu erzählen, wie er ein erfolgloser Landmann war, den Jesus erwählte, sein Wort zu künden. Und das ist alles andere als fade, denn die Bibel ist für Fo wie das richtige Leben: Hinterlistig. Pannike, der umwerfend komisch sein kann, spielt diese Geschichten, von Kain, Abel und dem geklauten Ersatzstreifen oder vom Stall zu Bethlehem als komische Kabinettstückchen. Die Heiligen Drei Könige sind ein Trio, bestehend aus einem Altersschwachen, einem Treudoofen und einem sonnigen Bluesmann. Pannike spielt sie alle und den, einem bekannten deutschen Staatsmann nicht unähnlichen Gott, den Teufel – natürlich nur echt als Sachse -, Abraham und Isaak, nebst Gitarre und Mundharmonika noch dazu.”

Herr Sack packt aus!

Stückbeschreibung …

K. Holler, Dresdner Neueste Nachrichten:

“Nach seinem Reineke – Fuchs – Marathon hat sich der Schauspiel -Wüterich Pannike nun eine neue Tour de Force ausgedacht, genauer gesagt eine Spiegelfechterei besonderen Kalibers: Sie nennt sich „Von Tauben & Hunden & und anderen Menschen – drei Einakter nach Curt Goetz“. Also los, große Eingangsmusik, etwas blauer Dunst auf die NOt-Deko – ein Regal aus Pappmache und ein Stuhl, und Auftritt Schauspieler Pannike als Herr Professor. Stop. Alles zurück. Auftritt Pannike als Bühnenarbeiter mit Kittel, hat er doch die Blümchen vergessen. Aber dann geht’s los und einmal aufgetreten gibt’s kein Halten, weder oben noch unten im Parkett. Während Pannike sich durch die Szenen berlinert, sächselt, spielt, kämpft, chargiert, brüllt, baggert, dienert, während er als Minna in Ohnmacht fällt, sich als Vater Sack sogleich wieder wachtröstet, als Herr Professor um seine Fassung ringt und als schnippische Frau Professor piepst „Na das kennt man ja“, liegt das Parkett komplett flach und das von Anfang an. Kein Wunder auch, der Typ ist urkomisch, der Text ist eine Pointe pro Minute, und die Pointen sind gearbeitet! Man soll’s nicht glauben, aber den Regisseur hat Pannike nicht NOtgespart: Theo Richtsteiger hat Ahnung von Szenendynamik, Arrangements und Pointen. Und vor allem, er hat den richtigen Schauspieler. Chamäleon Pannike kann alles, frei nach dem Motto; „Sach mir was, ich mach dir das bietet er alles. Ein Erzkomödiant, zur Zeit ohne Engagement, unglaublich!”

Ich allein weiss, wer ich bin!

“Nichts ist so schwer auf dem Theater wie das Darstellen von Seelenzuständen. Diese seltsamen Schwingungen im Fühlen, die das körperliche Verhalten in einschneidender Art und Weise beeinflussen. Das Vibrieren, Schwanken, Abtauchen in Abgründe. Sich einem solchen Theaterprojekt zu stellen, verlangt Mut und Sensibilität. Der Schauspieler Utz Pannike besitzt von beidem genug, um sich an ein Solo zu wagen, dass Situationen, Einflüsse, Erscheinungen im Leben der Malerin Elfriede Lohse Wächtler (1899–1940) assoziiert. Und betont abgrenzend mit dem Titel „Ich allein weiß, wer ich bin“. Es spielt weniger oder vielleicht gerade eine Rolle, dass sich da ein Mann mit einer Frau befasst. Pannike geht es um menschliches Verhalten unter extrem psychischem Druck, um Verformungen, Einengungen, wie ein Körper reagiert auf Zwänge von innen und außen. Soweit also eine Stückidee, die es in sich hat.”

Presse Kindertheater

Leider erscheinen zu Kindertheaterpremieren trotz zahlreicher Einladungen keine Journalisten, demzufolge sind auch keine Kritiken zu bekommen. Ich bedauere das, ist aber nicht zu ändern.